Erkenntnisse der schreibintensiven Blog-Dekade

Während 10 Tagen täglich einen Blog-Artikel schreiben und posten? Anfangs August wurde dieses Projekt von Franzi Blickle im Rahmen der Content Society lanciert. Wer mich kennt, weiss, dass ich mich gerne auf Projekte einlasse, von denen ich nicht weiss, wohin genau sie mich bringen werden. Trotzdem habe ich mich gefragt, ob die Blog-Dekade tatsächlich was für mich wäre.

Eine Verpflichtung eingehen, jeden Tag zu posten? Ich erinnerte mich an die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Da explodierte mein Postfach beinahe, weil die Blogger:innen anscheinend nichts anderes zu tun hatten, als einen Artikel nach dem anderen zu verfassen und zu posten. Das stresste mich als Leserin enorm, weshalb ich alle abonnierten Blogs und Newsletter löschte 🙂 .

Aber schliesslich siegte die Neugier und so machte ich an der Blog-Dekade mit.

Vorbereitung auf die Blog-Dekade

Vorgesehen war, dass man bereits im Vorfeld diese 10 Tage plant. Themen für kurze Artikel festlegen, den Entwurfsordner durchforsten und angefangene Artikel beenden, aktuelle Themen verarbeiten, aber jeden Tag veröffentlichen. Als Input und Ermutigung gab es jeden Morgen um 8:30 einen halbstündigen Austausch.

Eine Planung erstellen, worüber ich schreiben wollte? Da ich mich inzwischen einige Jahrzehnte kenne, verzichtete ich auf eine schriftliche Planung. Ich wusste genau, dass ich mich an keine Planung halten würde. Nicht, weil ich es nicht für sinnvoll halte. Aber gerade beim Schreiben lass ich mich von der Lust leiten. Worauf springt mein Geist an? Welche Texte wollen erschaffen oder beendet werden?

Auf den Austausch habe ich ebenfalls verzichtet, es waren Ferien, da schlief ich lieber aus. Ich habe jeden Tag geschrieben, aber nicht jeden Tag einen Artikel veröffentlicht. Warum nicht?

Täglich geschrieben, aber nicht täglich veröffentlicht?

Arbeite ich zur Ideenfindung eines Themas mit Écriture automatique, so habe ich am Ende viele Anregungen und Inputs in meinem Schreibbuch notiert, die dann nachwirken. Mir gefällt es, wie sich Gedankensplitter, Ideen und Worte miteinander verbinden und wachsen. Und dieser Prozess braucht Zeit. Ich liebe es, mit meinen Texten schwanger zu sein. Sie verändern sich und ich verändere mich mit ihnen. Diese Zeit generiert weitere Ideen, die vielleicht sogar früher ins Blickfeld des Netzes gestellt werden. 

Entwürfe, unfertige Texte zu veröffentlichen, ist für mich persönlich ein No-Go. Wenn ich eines hasse, dann veröffentlichte Texte nochmals zu überarbeiten. Nein, diese Aussage stimmt so nicht ganz. Ich habe absolut kein Problem, ältere Texte nochmals zu ergänzen, zu erweitern und zu verbessern. Aber ich mag keine veröffentlichten Entwürfe nochmals überarbeiten. Ergo, veröffentliche ich keine Entwürfe.

Ein Entwurf sind erste Gedanken, Leitplanken, er bildet das Skelett des Artikels. In sich noch instabil und nicht tragend, dafür kreativ, inspirierend und dynamisch. Und dann entwickelt sich der Entwurf nach und nach zu einem Text. Durch die Überarbeitungen, durch meine Aufmerksamkeit und die Zeit, die ich ihm zur Reifung gebe.

Das ist wie Brotbacken. Aus den Zutaten entsteht ein Teig, erst noch klebrig, durch das Kneten wird er glatt. Er braucht viel Zeit um aufzugehen, auch das Backen benötigt seine Zeit. Nur so entsteht ein leckeres Brot.

Ich mache einen Riesenbogen um Blogs, deren Artikel unfertig, redundant, gespickt mit inhaltlichen und Orthografiefehlern sind. Selbst wenn die Autor:innen wirklich was zu erzählen hätte. Um bei der Brot-Allegorie zu bleiben. Ich wäre auch im besten Hotel nicht zufrieden, wenn ich zum Frühstück statt einiger Scheiben Brot eine Schüssel Teig hingestellt bekäme.

Ich habe also nicht jeden Tag veröffentlicht, aber ich habe jeden Tag an meinen Blog-Artikeln geschrieben. Auch hier stellt sich die Fragen nach dem Warum?

Einerseits hatte ich, dank der Sommerferien, Zeit und Musse um zu schreiben. Im Alltag muss ich mir Nischen und Platz schaffen, um in Ruhe und ungestört schreiben zu können. In den Ferien ist dieser Raum vorhanden und kann genutzt werden. Andererseits wusste ich, dass an vielen anderen Orten ebenfalls geschrieben wurde. Die Gemeinschaft, wenn auch nicht physisch wahrnehmbar, hat die Idee getragen und mich als Schreibende motiviert.

Erkenntnisse aus der Blog-Dekade

Welche Erkenntnisse habe ich durch dieses Projekt gewonnen? Ich lasse mich gerne inspirieren, aber ich höre auf meine Intuition. Wenn sich etwas nicht gut anfühlt, dann mache ich es nicht. Oder zumindest nicht so, wie es angedacht war, sondern so wie es zu mir und meiner Haltung passt.

In diesen 10 Tagen habe ich einen vertieften Einblick in meine persönlichen Schreibprozesse erhalten. Sie sind mit der Zubereitung einer Speise vergleichbar. Neben den Zutaten, die sich alle beschaffen können, braucht es vor allem Zeit, Musse, Geduld und Hingabe. Ohne diese vier Faktoren gelingen weder Speisen noch entstehen gute Texte.

Würde ich wieder an einer Blog-Dekade mitmachen? Ein ganz klares Ja! Ich habe in diesen zehn Tagen nicht nur Artikel produziert, sondern auch Einblicke in mein Schreiben und meine Haltung zum Schreiben erhalten. Teilweise waren sie mir bereits früher bewusst, teilweise haben sie sich während der Blog-Dekade manifestiert.

Während der Blog-Dekade sind folgende Texte entstanden

  • Was ist Écriture automatique? Dieser Artikel bildet die Grundlage meiner Tätigkeit als Schreibberaterin. Es ist auch der Artikel, auf den ich in meinen Weiterbildungen immer wieder zurückgreife.
  • Der zweite Artikel befasst sich mit den Faktoren, die den Schreibfluss begünstigen.
  • Bisher habe ich noch keine Rezepte von mir veröffentlicht. Aber während der Blog-Dekade verfasste ich einen Artikel über Göttliche Speisen.
  • Der Juli-Rückblick durfte natürlich auch nicht fehlen. Endlich hatte ich viele Fotos, die ich verwerten konnte.
  • SEO, Yoast und grüne Ampeln. Aus einem Wutanfall entstanden, habe ich überraschende Erkenntnisse gewonnen.
  • Nicht während der Blog-Dekade veröffentlicht, aber in dieser Zeit entstanden: Die Anleitung zum Verfassen einer schriftlichen Arbeit. Sie entwickelte sich während des ganzen Augusts weiter, bis sie dann als 17-seitiges Dokument den Schüler:innen abgegeben werden konnte.

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